15.06.2023 Stolpersteinverlegung für die jüdische Familie Goldschmidt/Löwy

Stolpersteinverlegung für die jüdische Familie Goldschmidt/Löwy


Seit dem 26. Mai 2023 erinnern in der Petristraße sieben Stolpersteinen an die Familien Goldschmidt und Löwy. Die öffentliche Gedenkfeier anlässlich ihrer Enthüllung wurde von Schülern der Gustav-Heinemann-Schule und ihrer Lehrerin Tülin Kiresci zusammen mit Julia Drinnenberg vom Stadtmuseum Hofgeismar gestaltet. Dazu hatten sie eine Zeit-Collage aus Original-Briefen der Familie Goldschmidt aus den Jahren 1936 bis 1939 zusammengestellt, die sie mit großem inneren Engagement vortrugen. Musikalisch umrahmt wurde der Beitrag von dem Schulorchester, geleitet von Frau Johanna Übach.

Tim Goldsmith, ein Nachkomme der Familie, war aus Nevada angereist, um dabei zu sein, wenn die Namen seiner Familie enthüllt werden. In Hofgeismar verlebten Tims Vater Erwin und dessen Schwestern Lore und Ruth eine glückliche Kindheit, bis sich ihr Leben 1933 - heute vor 90 Jahren – schlagartig änderte, weil sie jüdisch waren. Es folgte eine Zeit der Demütigung und Entrechtung, des wirtschaftlichen Boykotts und Niedergangs des Textilwarengeschäftes der Familie bis hin zu brutalsten Misshandlungen des Vaters Gustav Goldschmidt durch Hofgeismarer Nationalsozialisten. Dem Umstand, dass der 13-jährige Erwin mit einem Kindertransport nach Amerika geschickt werden konnte, verdankte die Familie schließlich ihr Überleben. Er verschaffte ihnen die Bürgschaft amerikanischer Helfer, ohne die kein Visum nach Amerika ausgestellt wurde.

Musikalische Umrahmung durch das Schulorchester.

Neben den Gedenksteinen für die Eltern Gustav und Paula Goldschmidt, geb. Löwy, und die Kinder Erwin, Ruth und Lore erinnern Stolpersteine auch an Julius Löwy und Sofie Löwy, verheiratete Meyerstein. Auch sie wuchsen als Geschwister von Paula Goldschmidt in Hofgeismar auf. Julius Löwy war Zahnarzt in Hamburg. Er gehört zu den „heimlichen Opfern” des NS-Regimes. Sein Leben lang war er gezeichnet von den grausamen Erfahrungen als Häftling im KZ Sachsenhausen im November 1938. Er starb im Exil an den Folgen der Misshandlungen. Seine Schwester Sofie konnte noch flüchten, bevor sich die Grenzen 1939 schlossen. Ihr lebenslanges Trauma war der Verlust ihrer einzigen Tochter Ingeborg, die in Auschwitz ermordet wurde.

Der vorangehende Spendenaufruf des Stadtmuseums, die Kosten für Stolpersteine zu übernehmen, hatte eine überwältigende Resonanz gefunden. Für alle sieben Stolpersteine wurden in Rekordzeit Paten gefunden, und es kamen noch weitere private Spenden für die für Reise- und Unterbringungskosten des Gastes aus Amerika hinzu.

Tim Goldschmidt war schon am Vormittag zu einem Dialog mit Schülern in die Gustav-Heinemann-Schule gekommen, um ihre Fragen an ihn als Vertreter der Familie und eines Vertreters der zweiten Generation nach dem Holocaust zu beantworten.

Tief bewegt sprach auch Tim Goldschmidt zu den ca. 120 Teilnehmern. Angesichts des Engagements vieler junger Leute zeigte er sich hoffnungsvoll, dass in Deutschland eine Generation heranwächst, die es lernt, kritische Fragen zu stellen und sich jeder Form von Antisemitismus und Rassismus entgegenstellt. Höhepunkt war sein Liedvortrag im Gedenken an seinen Vater. Für diesen war es eine schmerzliche und prägende Erfahrung, als es ihm als Schulkind in Hofgeismar verwehrt wurde, mit seiner Mundharmonika aufzutreten – weil er jüdisch war.