Hugenottische Bibeln

Hugenottische Geschichte

Die französisch-reformierten (»hugenottischen«) Bibelausgaben im Stadtmuseum Hofgeismar

Vorreformatorische französische Bibelübersetzungen

Bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts lagen die einzelnen Teile der Bibel in französischer Übersetzung vor. Sie erlangten später eine weite Verbreitung mit der »Historienbibel« des Guyard des Moulins, die 1496 im Druck erschien und bis 1545 aufgelegt wurde.

Die erste französische Vollbibel datiert vom Ende des 13. Jahrhunderts. Diese sog. De Thou-Bibel bietet zusätzlich Nacherzählungen, Zusammenfassungen und Erklärungen im Sinne ihrer Frömmigkeitsorientierung. Faber Stapulensis schließt 1523 seine französische Übersetzung des Neuen Testaments nach der lateinischen Vulgata ab. Eine von ihm redigierte Vollbibel erscheint 1530 in Antwerpen.

 

Der reformierte Umgang mit der Bibel als dem Instrument kirchlicher Erneuerung

Johann Calvin (1509-1564) gab der reformierten Glaubensbewegung auch durch seine zahlreichen Bibelkommentare eine klare Ausrichtung. Sie sind gekennzeichnet durch grammatische Textanalysen, historische Interpretation und philologische Differenzierung.
Die Bibel wurde zur Grundlage seines Reformanliegens. Er strebte die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft nach der Norm der Hl. Schrift an und setzte sich selbst energisch für die Errichtung einer »Bibliokratie« (Herrschaft der Bibel) ein.

Johann Calvin (1509-1564) gab der reformierten Glaubensbewegung auch durch seine zahlreichen Bibelkommentare eine klare Ausrichtung. Sie sind gekennzeichnet durch grammatische Textanalysen, historische Interpretation und philologische Differenzierung. Die Bibel wurde zur Grundlage seines Reformanliegens. Er strebte die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft nach der Norm der Hl. Schrift an und setzte sich selbst energisch für die Errichtung einer »Bibliokratie« (Herrschaft der Bibel) ein.

 

Reformierte bzw. hugenottische Bibelausgaben und -übersetzungen

Pierre Robert Olivetanus (um 1506-1538), ein Verwandter Calvins, der in Genf an den Anfängen der Reformation beteiligt war, erstellte auf Ersuchen der Waldenserkirche eine französische Bibelübersetzung. Sie wurde mit einem Vorwort Calvins 1535 bei Pierre de Vingle in Neuchâtel gedruckt.

Olivetan stützt sich bei der Übertragung des Alten Testaments auf die Ausgabe des Faber Stapulensis, zieht aber bei der Bearbeitung der Psalmen den hebräischen Urtext heran.

Für das Neue Testament benutzt er Übersetzungen des Erasmus von Rotterdam. Revidierte Ausgaben dieser Bibel erschienen ab 1540 in Genf und erhielten 1588 ihre maßgebliche Fassung. In ihrer reiferen Form ab 1560 übte die »Genfer Bibel« mit ihren Vorreden, theologischen Randbemerkungen, Karten, Illustrationen und Konkordanzen einen großen Einfluss aus.

1565 erschien ein Neudruck nach einer überarbeiteten Textvorlage Calvins bei der bedeutenden französischen Buchdruckerfamilie Estienne in Genf. Bemerkenswert ist die reiche Illustration dieser Ausgabe.
 Durch den Zustrom hugenottischer Auswanderergruppen entstand in den protestantischen Niederlanden neben Genf ein zweites Zentrum reformierten Geisteslebens, das verlegerische Aktivitäten entwickelte.

So legt Henri Laurents 1635 in Amsterdam die »Genfer Bibel« erneut auf, die mit einem umfangreichen Anhang versehen ist. Er enthält unter anderem das Gesangbuch der französischen Reformierten in der Form des bereimten Psalters durch Clement Marot (1497-1544) und Theodore de Bèze (1519-1605), einen Katechismus, das Glaubensbekenntnis sowie eine Sammlung von Kirchengebeten.

Eine erneut geringfügig revidierte Ausgabe der »Genfer Bibel« besorgen die Herausgeber Samuel und Henri des Marets. Sie erscheint 1669 bei Elzevier in Amsterdam und gilt als ein »Meisterwerk der Typographie«.


Die seltene Estienne-Bibel von 1565, Einband und Titel




Einflussreiche neuere Revisionen der »Genfer Bibel«

Die bereits von Calvin beanstandeten Mängel der Olivetanschen Übertragung des biblischen Textes, die sich über 150 Jahre im französischsprachigen Protestantismus behaupten konnte, machten eine sprachlich modernisierte Neubearbeitung erforderlich. Dieser Arbeit unterzog sich der zuletzt in Utrecht tätige Prediger David Martin (1639-1721). Im Auftrag der Wallonischen Synode der Generalstaaten ließ er 1696 das Neue Testament verlegen, dem 1707 in Amsterdam die Gesamtausgabe seiner zweibändigen und großformatigen Bibel folgte. Sie wurde bis ins 19. Jahrhundert nachgedruckt. Die Martinsche Edition wurde stilistisch nochmals verbessert durch Pierre de Roques (1685-1748), der seit 1710 den Predigtdienst an der französisch-reformierten Gemeinde in Basel versah. Die erstmals vom Baseler Drucker Im-Hoff vertriebene Ausgabe von 1736 enthält neben geographischen, genealogischen und chronologischen Tafeln die mit Noten versehenen Psalmen Davids. Ausgaben der Martin/de Roques-Fassung erscheinen in Basel unter anderem 1744, 1760 und 1766.
 Eine weitere Revision der »Genfer Bibel« legte Johann Friedrich Ostervald (1663-1747; seit 1699 Pfarrer in Neuchâtel in der Schweiz) vor. Diese kommentierte Ausgabe erschien mit Billigung der reformierten Geistlichkeit Genfs 1724 in zwei verschiedenen Drucken in den Niederlanden. Die Neuauflage der Ostervald-Bibel von 1744 fand als die eigentliche »Version Ostervald« weite Verbreitung. Noch 1910 erfolgte eine abschließende Überarbeitung als »Version Synodale«.

Keine der registrierten Bibelausgaben hat sich im französischsprachigen Protestantismus als allgemein anerkannte Edition durchsetzen können.

Die hier gezeigte ist die weltweit zweitgrößte Spezialsammlung »hugenottischer« (französisch-reformierter) Bibelausgaben nach der British Library. Sie enthält neben den gängigen Versionen zahlreiche Nebenausgaben aus minder bedeutenden Druckorten und ist zugleich Spiegel der hugenottischen Siedlungsgeschichte.
 

Literatur

Walter Mogk: Die Sammlung französisch-reformierter Bibelausgaben im Regionalmuseum Hofgeismar. Ein Beitrag zur Frömmigkeitstradition der Hugenotten und Hugenottennachkommen. In: 300 Jahre Hugenotten in Hessen. Hrsg. v. K.-H. Wegner, Kassel 1985, S. 223-240.

 

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